Zweiter Bildungsweg: Von der Hauptschule zum Masterstudium
Hast du einen schrägen Lebenslauf? Mein zweiter Bildungsweg hat mir meinen Traumberuf ermöglicht und du kannst das auch, wenn du willst.

Der zweite Bildungsweg - Klingt komisch oder? Ich hab mich früher auch gefragt, was das ist und wozu mach, das braucht.
Als zweiten Bildungsweg bezeichnet im Grunde genommen den Schul-, Ausbildungs- und Studienabschluss auf Umwegen. Also das, was jemand tut, der erst nach der normalen Schullaufbahn die Abschlüsse nachholt, die es braucht, um bestimmte Berufe zu erlangen. Die meisten gehen dafür auf die Abendgymnasium oder ein Kolleg, um dort z.B. die allgemeine Hochschulreife bzw. das Abitur nachzuholen und anschließend zu studieren. So wie ich. Manche schaffen aber auch den Weg an die Uni ohne Abitur so wie z.B. Mathias. Das nennt sich dann übrigens dritter Bildungsweg 😉
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.
Das ist die Geschichte meines zweiten Bildungswegs und warum ich es immer wieder so machen würde.
„Aha, auf der Hauptschule bist du? Naja.“
Das Arbeiterkind auf der Hauptschule
Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie und meine Mutter war nie großartig an der schulischen Ausbildung von mir oder meiner 4 Geschwister interessiert. Der Sinn und Zweck von Lernen wurde mir Zuhause nicht vermittelt. So kam es, dass ich mit sehr schlechten Leistungen in der Grundschule auf der Hauptschule gelandet bin. Mir war es sehr unangenehm eine Hauptschülerin zu sein. Das Stigma gibt es ja leider heute noch immer. In der 7. Klasse wurde meiner Klasse dann mitgeteilt, dass man mit den entsprechenden Noten Zusatzunterricht ab der 8. Klasse besuchen könne. Nach der 9. wäre dann der Übergang in die 10. Klasse der Werkrealschule möglich, welche mit der Mittleren Reife abschließen würde. Selbstständig entschied ich, dass ich das machen möchte. Ich tat es, eher schlecht als recht und hatte dann auch nach der 10. Klasse einen miserablen Realschulabschluss in der Tasche.
Mittlerer Schulabschluss und nun?
Nach einem Jahr planlosen Rumgeeiere und einem Praktikum im Krankenhaus begann ich eine Ausbildung zur Krankenschwester. Der Beruf machte mir unheimlich viel Spaß. Nach der Ausbildung arbeitete ich drei Jahre in Hessen in einer Notaufnahme und entwickelte mich langsam aber sicher zu einer erwachsenen Frau.
Abitur nachholen: „Ich glaube nicht, dass du das schaffst!“
Nun ist ja gemeinhin bekannt, dass die Arbeit in der Krankenpflege nicht die einfachste ist und ich kam mit meinen zarten Anfang 20 bald an meine Grenzen. Durch Freunde, die alle Abitur hatten, reifte Mitte 20 in mir die Idee, dass das nicht alles im Leben gewesen sein konnte. Mit der Frage, ob ich nicht das Abitur nachmachen sollte, ging ich zu meiner Mutter. Sie lachte nur und meinte, sie glaube nicht, dass ich das schaffen würde. Außerdem merkte sie an, dass ich das dann schon selbst finanzieren müsse. Von Freunden bestärkt bewarb ich mich an einer Schule in Berlin und begann mit 24 das Abitur nachzuholen. Glücklicherweise gab es für das Abi auf dem zweiten Bildungsweg das Schülerbafög. Zusammen mit einem Minijob in der Krankenpflege (ich habe 3 Wochenenden im Monat gearbeitet) kam ich über die Runden.
Zweiter Bildungsweg: Ich weiß, was ich will!

Nach zwei Jahren Schulbank drücken und einem guten Abitur in der Tasche begann ich nahtlos mein Bachelor Studium in Baden-Württemberg. Auch dieses finanzierte ich mir durch Bafög und der Arbeit in der Krankenpflege. Es gibt aber auch spezielle Stipendien für Berufserfahrene. So hat Kai sein Studium z.B. finanziert und das ganz ohne Abi.
Heute bin ich mit großem Spaß an der Arbeit Lehrerin für Pflegeberufe und unterrichte als Kursleitung an einer Schule in Baden-Württemberg. Neben meinem Teilzeitjob befinde ich mich momentan im zweiten Semester eines Masterstudiums. Was nach dem Master kommt lasse ich mir offen. Es gibt noch so viel zu entdecken, zu lernen, mich weiterzuentwickeln. Es bleibt auf jeden Fall spannend.
Danke für deine Unterstützung
Ich bin froh, um jede Erfahrung die ich gemacht habe. Der Bildungsaufstieg auf dem zweiten Bildungsweg war zwar nicht immer leicht, doch alles war immer irgendwie zu meistern. Eine große bzw. die ausschlaggebende Unterstützung war und ist mein Verlobter. Er ist seit 5 Jahren mein größter Fan und zugleich mein schärfster Kritiker. Er stärkt mir Tag für Tag den Rücken und holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ich mich in meinen Wunschvorstellungen verliere.
Soziale Herkunft = Schicksal?
Ich bin der Meinung, dass man alles schaffen kann. Das beweist nicht nur mein Lebenslauf. Viele andere Gastautoren hier auf dem Blog haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Manchmal ist es mühsam und man fragt sich an vielen Stellen, ob das denn nun alles so klug war. Solange man aber einen Plan hat und weiß, wo man hin möchte, übersteht man auch die Zeiten, die nicht so toll laufen. Der zweite Bildungsweg ist ein völlig legitimes Mittel, um seine Ziele zu erreichen. Nur weil du als Teeny noch nicht wusstest, was du willst oder wenig Unterstützung bekommen hast, musst du dich nicht für den Rest deines Lebens auf alte Entscheidungen festnageln (lassen). Es ist nicht wichtig, wer du bist, sondern nur was du tust. Ob nun erster oder zweiter Bildungsweg ist doch völlig egal. Du bist deswegen nicht weniger wert. Niemand sollte sich aufgrund seiner sozialen Herkunft vorschreiben lassen, wie seine berufliche Zukunft auszusehen hat. Nur DU bestimmst, wo es hingehen soll. Mach was draus!