Studienabschluss ~ Wer will das schon?!
Ich studiere nun seit 6,5 Jahren. Meine Zeit als Studentin ist bald vorbei und doch weiß ich immernoch nicht, was ich mal werden will, wenn ich mal groß bin

Ich studiere Irgendwas mit Medien in Berlin. Noch. Meinen Masterabschluss habe ich bald in der Tasche. Ich schreibe meine Abschlussarbeit direkt im Anschluss an das Auslandssemester. Dann geht es für mich endgültig raus aus der Ausbildung und rein in die Arbeitswelt. Das macht mir zugegebenermaßen etwas Angst. Ich weiß nicht, was mich da draußen erwartet. Nicht, dass ich dieses Leben nicht kenne. Ich habe gearbeitet. So richtig meine ich. 40 Stunden pro Woche und mehr. Jahrelang. Ich weiß, wie das ist. Ich vermisse es nicht. Aber das ist nicht das Problem.
Ok, vielleicht doch ein bisschen. Dieses selbstbestimmte, abwechslungsreiche Leben, das ich jetzt als Studentin habe, ist dann zu Ende. Nicht nur, dass ich dann einen Großteil meiner Lebenszeit in den Dienst eines Unternehmens stellen werde, ich muss in dieser Zeit meine eigenen Interessen hinter denen des Unternehmens anstellen. Kann ich das noch? Weiß ich noch, wie das geht? Will ich das? Habe ich überhaupt eine Wahl? Ich fürchte nicht…
Ich studiere nun seit sechs Jahren und auch wenn ich weiß, dass das irgendwann ein Ende haben muss, so hadere ich doch ein wenig damit. Denn ich werde mich entscheiden müssen. Entscheiden für einen Berufsweg, eine Branche, ein Unternehmen. Sozusagen für ein Leben nach dem Tod. Aber ich habe mit diesem Leben noch nicht abgeschlossen. Ich bin noch nicht soweit zu gehen. Es gibt noch so viel zu entdecken, zu probieren, zu lernen. Vielleicht gehe ich deswegen nach Bali. Zeit schinden. Kind sein. Bevor der Ernst des Lebens mich einholt. Mein Kind wird direkt nach unserer Rückkehr eingeschult. Spontane Ausflüge außerhalb der Ferienzeit haben sich dann erledigt. Und dann ist mein Studium vorbei. Reisen länger als drei Wochen? Vergiss es! Sei froh, wenn du die Ferienbetreuung für die Kinder geregelt kriegst.
Als ich meinen Job hinschmiss und mich an der Hochschule einschrieb, hatte ich kein bestimmtes Ziel im Sinn. Und auch jetzt, sechs Jahre später, weiß ich nicht genau, wohin die Reise gehen soll. Der Weg war stets mein Ziel und das wird sich vielleicht nie ändern. Ich weiß nur, dass Stillstand nicht meins ist. Ich habe so viel gelernt. Ich will nicht damit aufhören. In den letzten sechs Jahren ist meine Welt so unendlich viel größer geworden, die Grenzen des Möglichen nahezu verschwunden. Verdammte Scheiße, ich gehe mit Kind und Kegel für vier Monate nach Bali! Ich meine, WTF!?
Mein Leben danach in einem Büro zu verbringen, wo ich ausschließlich damit befasst bin, unternehmerische Interessen zu vertreten, nicht mehr ausschließlich Herrin meiner selbst zu sein, macht mir schlichtweg Angst. Ist das noch mein Leben, wenn ich die meiste Zeit davon an jemand anderen verkaufe?
Studienabschluss: Gibt es ein Leben danach?
Aber vielleicht gibt es ja Hoffnung. Hoffnung auf ein Leben nach dem Leben. Vielleicht finde ich ja das Paradies. Ich glaube, ich war ein guter Mensch in diesem Leben. Ich nehme stets mit, was ich kann. Sauge alles auf, wie ein Schwamm. Genieße den Tag und versuche jeden noch so langweiligem Kurs mit persönlichem Interesse und Nutze zu verbinden. Bisher gelingt mir das ganz gut. Vielleicht schaffe ich das ja auch nach meiner Zeit als Studentin. Vielleicht ist mein Studienabschluss ja gar kein Ende. Vielleicht steige ich einfach nur um auf meiner Reise. So wie jetzt, wenn ich gleich in Hannover den IC verlassen und in den ICE gegenüber steigen werde. Vielleicht habe ich Pech und der verdammte Zug bleibt irgendwo auf der Strecke stecken, die Klimaanlage fällt aus und das Deo meines Sitznachbars versagt. Vielleicht lerne ich in dem Zug aber auch die Liebe meines Lebens kennen. Ok, das ist unwahrscheinlich. Die sitzt zu Hause mit den Kindern und schläft wahrscheinlich seelenruhig, wenn ich heute Abend gegen 22 Uhr die Wohnungstür aufschließe. Aber vielleicht passiert ja in besagtem ICE irgendetwas anderes grandioses. Vielleicht nimmt er aber auch einfach nur Fahrt auf, durch eine grandiose Landschaft, vorbei an Kühen, Schafen und Pferden. Fährt zwischen Bergen, am Rande eines Abgrunds, vorbei an einem unglaublich klaren See. Bei strahlendem Sonnenschein beobachte ich Schäfchenwolken, lehne mich zurück in meinen Sitz und genieße die Fahrt bis ich todmüde und glücklich dort ankomme, wo ich schon immer hinwollte… zu Hause.